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StartseiteThemenHydraulischer AbgleichHydraulischer Abgleich in zentralen Trinkwassererwärmungsanlagen
31. Oktober 2024
Unabdingbare Voraussetzung für einen hygienisch sicheren Betrieb. Hinweise zu Planung, Inbetriebnahme und Dokumentation
Der Umstand, dass Trinkwasserhygiene grundsätzlich Vorrang vor einer möglichen Energieeinsparung hat, wurde bereits im Jahr 2020 durch eine Mitteilung des Umweltbundesamts 1) unterstrichen, die sich u. a. an Planer, Installateure und Betreiber von Trinkwasserinstallationen richtet. Hier wird aufgeführt, dass zur Vermeidung einer Vermehrung von Legionellen in Trinkwasserinstallationen Mindesttemperaturen entsprechend den Forderungen des DVGW-Arbeitsblatt W 551 einzuhalten sind, d.h. eine Betriebstemperatur an der ungünstigsten Stelle des zirkulierenden Systems von 55 °C nicht unterschritten werden soll. Es geht bei einem hydraulischen Abgleich also nicht wie oft dargestellt, vorranging um eine energetische Einsparung. Vielmehr steht der hygienisch sichere Betrieb im Fokus.
Die Trinkwasserverordnung verweist als Ausführungsverordnung auf das in § 37 Infektionsschutzgesetz bezeichnete „Wasser für den menschlichen Gebrauch“. Dieses muss demnach jederzeit so beschaffen sein, dass durch seinen Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit, insbesondere durch Krankheitserreger, nicht zu besorgen ist und dient damit dem sog. „Vorsorgeprinzip“. Bereits im kürzesten deutschen Gesetzessatz steht geschrieben: „Eigentum verpflichtet“ (Art. 14 Abs. 2 GG), womit insbesondere auch alle Betreiber einer Trinkwasserinstallation angesprochen sind. Im Grundgesetz sind bekanntermaßen nicht nur Rechte festgeschrieben, es finden sich hier auch Verpflichtungen.
Die Grundlage für den sicheren Betrieb einer Trinkwasserinstallation ist u. a. die Austrittstemperatur am Trinkwassererwärmer gemäß dem DVGW-Arbeitsblatt W 551 mit einem Sollwert ≥ 60 °C. Jedoch spielen hierbei noch weitere Faktoren eine wichtige Rolle. Unter anderem ist für die Trinkwassererwärmung in erster Linie die Primärseite zu betrachten. Steht eine zu geringe Heizungstemperatur zur Verfügung, kann eine durchgängige und kontinuierliche Erwärmung des Trinkwassererwärmers nicht stattfinden. Ebenfalls sollte die Hysterese (Einschaltpunkt der Trinkwassernacherwärmung durch die Heizungsprimärseite) im Fokus stehen. Findet eine Nacherwärmung primärseitig mit zu langen Auskühlzeiten statt, hat dies negative Einflüsse auf das gesamte zirkulierende System bis hin zu den hydraulisch ungünstigsten Punkten in der Trinkwasserinstallation, siehe Bild 1.
Beimischverfahren nach DIN 1988-300
Zur Berechnung des hydraulischen Abgleichs sowie zur Auslegung der Zirkulationsregulierventile wird empfohlen, eine geeignete Trinkwasser-Berechnungssoftware einzusetzen, da sich die Berechnung weit verzweigter Trinkwassersysteme und deren hydraulischer Abgleich in den meisten Fällen nur computergestützt durchführen lässt. Dem Planenden steht seit dem Jahr 2012 das Beimischverfahren nach DIN 1988-300 zur Verfügung. Das Bemessungsverfahren berücksichtig die hygienischen und betriebstechnischen Aspekte unter Berücksichtigung einer günstigeren Mengenaufteilung, geringerem Druckverlust und daraus resultierend auch geringeren Nennweiten bei der Rohrleitungsdimensionierung. Durch das Beimischverfahren ergibt sich allerdings eine variierende Temperatur an den einzelnen Zirkulationsregulierventilen. Dabei sind an den Stromvereinigungspunkten teils deutliche Temperatursprünge möglich. Auf dem längsten Zweig, welcher zugleich der hydraulisch ungünstigste ist (Indikatorstrang), sinkt die Temperatur auf eine Mindesttemperatur zurück. Aus dem kürzesten Zweig (in der Regel ist das ein Strang im Nahbereich der Trinkwassererwärmungsanlage) wird heißeres Wasser beigemischt, woher das Verfahren seinen Namen hat. Bei der Einregulierung der Anlage ist dieser Punkt zu beachten. Die berechneten Einstellungen an den Ventilen sind auf Grundlage der rechnerisch ermittelten Einstellwerten so vorzunehmen, das ein bestimmungsgemäßer Betrieb sichergestellt ist. Das bedingt aber auch, dass tatsächlich die Zirkulationsregulierventile eingesetzt werden, mit denen gerechnet wurde.
Auswahl der Zirkulationspumpe
Eine weitere wesentliche Stellschraube ist die Auswahl der Zirkulationspumpe anhand der planerischen Berechnungsgrundlagen. Hier spielen weitere Faktoren eine grundlegende Rolle, etwa die Einstellung der Regelungsart. Es empfiehlt sich der konstante, drehzahlgeregelte Betrieb.
Bei zu geringer Leistung der Zirkulationspumpe kann die Funktion der Zirkulationsregulierventile beeinträchtigt werden, da die pumpenfernen Stränge mangels Volumenstrom ggf. nicht erreicht werden können. Eine unzureichend eingestellte Förderhöhe der Zirkulationspumpe ist genauso schädlich wie eine zu hohe Strömungsgeschwindigkeit, die zur Erosionskorrosion an Anlagenbauteilen führen kann. Aus wirtschaftlichen Gründen sollte nach DIN 1988-300 Pkt. 6.2.2 die Strömungsgeschwindigkeit in Zirkulationsleitungen mit 0,2 bis 0,5 m/s angenommen werden. Maximal darf die Strömungsgeschwindigkeit 1,0 m/s betragen.
Einzelzuleitungen im zirkulierenden System
Nach VDI 6023 Blatt 1 sollen Einzelzuleitungen im Hinblick auf Ausstoßzeiten so kurz wie möglich sein, ein Wasservolumen von 3 l darf nicht überschritten werden. Stockwerks- und/oder Einzelzuleitungen mit einem Wasservolumen ≤ 3 l können auch gem. Pkt. 5.4.3 des DVGW-Arbeitsblatt W 551 ohne Zirkulationsleitungen gebaut werden. Daraus folgt, dass an jeder Entnahmestelle nach Ablauf von max. 3 l Warmwasser eine Temperatur von mindestens 55 °C zur Verfügung stehen soll.
Ein abschließender Hinweis zum Betrieb: Entgegen der noch immer weit verbreiteten Meinung zur nächtlichen Abschaltung einer Zirkulationspumpe wurde schon im Jahr 2017 mit der DVGW Information Wasser Nr. 90 als Ergänzung zu Anforderungen des DVGW Arbeitsblatt W 551 der Dauerbetrieb einer Zirkulationspumpe empfohlen, da nur so sichergestellt ist, dass Legionellen begrenzende Temperaturen eingehalten werden können.
Werkvertragliche Verantwortung des Installateurs
Der Installateur steht während und nach der Inbetriebnahme in der werkvertraglichen Verantwortung gegenüber seinem Auftraggeber. Nach der Richtlinie VDI 6023 Blatt 1 unter Punkt 5.4.3.4 sind Trinkwasserinstallationen mit Zirkulation vom Errichter hydraulisch abzugleichen und auch nach den vertraglichen Regelungen der VOB Teil C (ATV DIN 18381) unter Pkt. 3.5.1 hat der Auftragnehmer die Anlagenteile so einzustellen, dass die geplanten Funktionen und Leistungen erbracht und die gesetzlichen Bestimmungen erfüllt werden. Der Abgleich von Durchflussmengen, im Sinne des hydraulischen Abgleichs bei Trinkwasserzirkulationssystemen, ist daher mit den rechnerisch ermittelten Einstellwerten so vorzunehmen, das ein bestimmungsgemäßer Betrieb sichergestellt ist.
Bis zur Übergabe steht der Auftragnehmer weiterhin in der Leistungspflicht und muss die notwendigen Einstellwerte dokumentieren und gegebenenfalls auch nachweisen. Die Einhaltung der nach DVGW-Arbeitsblatt W 551 geforderten Temperaturen ist gemäß VDI 6023 Blatt 1, wie unter Punkt 5.4.3.4 beschrieben, zu dokumentieren. Kommt es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung sind die Dokumente nach der Inbetriebnahme ausschlaggebende Beweisstücke. Ein durch den Errichter durchgeführter und überwachter Probebetrieb kann bereits vor der Übergabe an den Auftraggeber potenzielle Schwachstellen identifizieren, die durch gezielte Nachjustierungen behoben werden können. Um unnötige Kosten zu vermeiden, macht es Sinn einen Sachverständigen für Trinkwasserhygiene baubegleitend bereits vor Beginn der Baumaßnahmen mit einzubinden. Eine Hygiene-Erstinspektion für eine Trinkwasserinstallation auf Grundlage der VDI 6023 Blatt 1 und nach den Anforderung der fachlichen Stellungnahme des Deutschen Vereins der qualifizierten Sachverständigen für Trinkwasserhygiene (DVQST FS-401) sichert Anlagenerrichter und Betreiber gleichermaßen ab und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Schadensprävention.
Fehler bei der Überprüfung vermeiden
Bedingt durch die geforderte Temperaturhaltung im Zirkulationssystem ist eine Wiedereintrittstemperatur am Trinkwassererwärmer von 55 °C nicht zu unterschreiten. Hier entstehen jedoch bereits die ersten praktischen Fehler bei der Inbetriebnahme oder bei der Überprüfung der sogenannten „5-K-Regel“. Wird nämlich bei der Überprüfung der regelkonformen Anlagentemperaturen ausschließlich die Wiedereintrittstemperatur im Nahbereich der Zirkulationspumpe am Trinkwassererwärmer überprüft , kann dies oft ein gefährlicher Trugschluss sein. Durch hydraulische Kurzschlüsse in ungeregelten Systemen (etwa bei pumpennahen Steigsträngen) können auch höhere Temperaturen direkt vor dem Trinkwassererwärmer zu einem deutlich geringeren führen.
Temperaturdifferenzen in der Trinkwasserleitung warm (PWH) zur Zirkulationsleitung (PWH-C) von z. B. 2 Kelvin in größeren Systemen sind ein erster Anhaltspunkt, dass es zu einem Kurzschluss an einem nahgelegenem Steigstrang kommt. Die Gründe hierfür können vielfältig sein, z. B. nicht vorhandene Zirkulationsregulierventile, defekte oder verunreinigte Zirkulationsregulierventile oder einfach nur ein manuelles Ventil, mit dem früher einmal der Versuch eines hydraulischen Abgleiches vorgenommen wurde. Daher ist eine Überprüfung der Temperaturen an verschiedenen Stellen in weit verzweigten Systemen zwingend notwendig. Temperatursensoren sollten immer an den ungünstigsten Steigleitungen im System angebracht werden. Ebenfalls sind im Falle von unterschiedlichen Verzeigungen, die in Richtung Zirkulationspumpe münden, diese dann differenziert zu erfassen. Nur so kann nach Auswertung aller Messergebnissen von einem aussagefähigen Zustand der Trinkwassererwärmungsanlage ausgegangen werden.
Digitalisierung sichert bestimmungsgemäßen Betrieb
Die Digitalisierung im Trinkwasserbereich nach gebäudespezifischen Erfordernissen ist ein entscheidender Faktor, um zukunftssicher dem bestimmungsgemäßen Betrieb gerecht zu werden. Betriebstemperaturen können nach VDI 6023 Blatt 1 manuell oder auch mittels elektronischer Systeme automatisch überwacht werden. Insbesondere bei hygienerele vanten Anlagen wird eine kontinuierliche Aufzeichnung von Betriebsparametern grundsätzlich empfohlen. Hierbei können insbesondere Parameter wie Temperatur, Druck und Volumenströme dokumentiert, erfasst und ausgewertet werden.
Ein wesentlicher Vorteil einer Gebäudeautomation mit entsprechender Sensorik liegt darin, dass die Betriebsparameter über einen Fernzugriff ausgelesen und gegebenenfalls notwendige Nachjustierungen direkt vom Büro aus vorgenommen werden können, ohne direkt vor Ort in der Anlage sein zu müssen. Diese Vorgehensweise kann eine enorme Zeiteinsparung und eine deutliche Verbesserung der hygienischen Zustände in einer Trinkwasserinstallation mit sich bringen. Störungen oder Betriebsunterbrechungen im bestimmungsgemäßen Betrieb können durch die Anbindung an die Fernüberwachung schnell erfasst werden. Technische Abweichungen im Betrieb sind sonst meist erst bei positiven Trinkwasseruntersuchung oder Beschwerden durch die Nutzer festzustellen. Prävention durch Überwachung der Betriebsparameter ist ein entscheidender Vorteil zum Erhalt der Trinkwasserhygiene und zur Reduzierung der Betriebskosten.
Wenn aufgrund von in die Jahre gekommenen Trinkwasserinstallation außergewöhnliche Umstände auftreten, wie zum Beispiel Querschnittsverengungen in Rohrleitungen oder an Regelventilen, kann es zu dauerhaften Temperaturunterschreitungen in einzelnen Abschnitten oder großflächigen Bereichen der Trinkwasserinstallation kommen. Hierbei ist es unerheblich, wie hoch die Temperaturen am Abgang des Trinkwassererwärmers eingestellt werden. Ein kontinuierliches Anlagenmonitoring unterstützt die anfallenden Instandhaltungsprozesse und zeigt gegebenenfalls Schwachstellen im System frühzeitig auf. Einen weiteren Vorteil bietet das regelmäßige Monitoring bei der Dokumentation über die Aufzeichnungen im laufenden Betrieb, welcher 24 / 7 an 365 Tagen im Jahr stattfindet. Energieeinsparpotenziale können im Einzelfall ebenfalls aufgedeckt und gehoben werden.
1) Mitteilung des Umweltbundesamtes, „Kollisionsregel Trinkwasserverordnung und Gebäudeenergiegesetz – Mindesttemperatur von erwärmtem Trinkwasser aus Großanlagen zur Trinkwassererwärmung“, Stand: 11. 12. 2020
Autor: Jonas Ganzenmüller, Sachverständiger für Trinkwasserhygiene im DVQST e.V.
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